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Weltklimagipfel: Druck auf reiche Länder steigt

eine Frau in Pakistan breitet ihre Arme aus und blickt in ihrem Haus nach oben
Eine Frau begutachtet die Schäden in ihrem Haus im pakistanischen Bezirk Charsadda, nachdem verheerende Überschwemmungen in diesem Sommer ein Drittel des Landes überflutet hatten. Keystone / Arshad Arbab

Die Finanzhilfen für die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder gehören zu den wichtigsten Themen an der UNO-Weltklimakonferenz (COP27) in Ägypten. Die Schweiz wünscht sich eine Aufstockung der Investitionen in den Klimaschutz.

“Wir müssen einen kreativen und gangbaren Weg finden, um Ländern finanziell zu helfen, die unter dem Klimawandel leiden,” sagt Wael Aboulmagd, der ägyptische Sonderbeauftragte für die 27. Weltklimakonferenz. Diese findet vom 6. bis 18. November in Sharm el-Sheikh (Ägypten) statt. Offiziell lautet ihr Name: Konferenz der Vertragsparteien der UNO-Klimarahmenkonvention (COP27Externer Link).

Der Klimagipfel, an dem rund 90 Staats- und Regierungschefs teilnehmen werden, sollte es laut Aboulmagd ermöglichen, “von Versprechen zu Taten überzugehen”. Zwischen den ergriffenen Klimaschutzmassnahmen der Vertragsstaaten und den notwendigen Massnahmen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten und die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, klafft gemäss Aboulmagd immer noch “eine grosse Lücke”.

Die Treibhausgasemissionen steigen weiter anExterner Link, die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Mensch und Umwelt werden immer deutlicher. Zwei Beispiele: Die Überschwemmungen, die im August dieses Jahres ein Drittel von Pakistan unter Wasser gesetzt haben, und der heisseste und trockenste Sommer in Europa seit 500 Jahren. Abgestimmte internationale Massnahmen sind nötig, um solche Entwicklungen zu bekämpfen.

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Allerdings gibt es neue Hürden bei der Einhaltung der Klimaziele, zumal die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit zwischen den Staaten nicht besser geworden sind. Der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und die Spannungen zwischen den USA und China, den beiden grössten Kohlenstoffdioxid-Emittenten, haben die Situation verkompliziert.

Der Rückgang der russischen Gaslieferungen hat mehrere Länder dazu veranlasst, ihre Energiestrategie zu überdenken, darunter auch die Schweiz. Es wackelt zudem der globale Konsens über die “schrittweise Reduzierung” der Verwendung von Kohle als Energieträger, der auf der letzten Klimakonferenz im vergangenen Jahr in Glasgow erzielt wurde.

Was sind die wichtigsten Traktanden bei der COP27?

Im ägyptischen Sharm El Sheik wird über die Umsetzung des Pariser Abkommens und die Erreichung der Emissionsreduktionsziele diskutiert. Ebenfalls wird über die Regeln der Klimakompensation gesprochen. Dieser Mechanismus ermöglich es Ländern, ihre Klimaziele durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten im Ausland zu erreichen.

Letztes Jahr verpflichteten sich die Staaten zur ehrgeizigeren Zielen in Bezug auf den Klimaschutz, die so genannten “national festgelegten Beiträge” (Nationally Determined Contributions – NDC). Es geht um Emissionsreduktionen auf freiwilliger Basis, die alle fünf Jahre aktualisiert werden.

Es wurde zudem vereinbart, die Klimaziele 2030 bis zur diesjährigen Konferenz zu überarbeiten. Bis zum Ablauf der von der UNO gesetzten Frist (23. September) haben dies jedoch nur 23 Länder getanExterner Link.

Die derzeitigen Verpflichtungen der 194 Unterzeichnerstaaten des Pariser Abkommens zu einer Dekarbonisierung werden laut dem jüngsten Bericht der UNO-KlimaagenturExterner Link das Ziel nicht erreichen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Laut diesem Bericht wird die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts mit den aktuellen Massnahmen 2,5 Grad betragen. Dieser Bericht ist soeben erschienen, also nur kurz vor der Eröffnung der Weltklimakonferenz COP27.

>> Video: So funktioniert die Klimakompensation

Auf der Tagesordnung der COP27 steht auch das Thema Gas – mit den afrikanischen Ländern, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents auf fossile Brennstoffe setzenExterner Link.

Ein weiteres Thema sind die finanziellen Mittel, um den ärmsten Staaten bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen. Eine der heikelsten Fragen betrifft die Entschädigung für durch die globale Erwärmung verursachte Verluste und Schäden (loss and damage).

>> Lesen Sie auch unseren Artikel: Klimawandel: Wie steht es um die internationale Solidarität?

Was tun die reichen Länder?

Im Jahr 2009 einigten sich die reichen industrialisierten Länder darauf, bis 2020 jährlich hundert Milliarden US-Dollar für die Finanzierung von Projekten zur Emissionsminderung und Klimaanpassung in Entwicklungsländern bereitzustellen.

Das Ziel wurde nicht erreicht: Laut der jüngsten Erhebung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungExterner Link (OECD) wurden für die am stärksten gefährdeten Länder im Jahr 2020 nur 83,3 Mrd. Dollar bereitgestellt.

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Zum Abschluss der COP26 von 2021 in Glasgow haben sich die reichsten Länder verpflichtet, ihre finanziellen Beiträge für die Bekämpfung des Klimawandels in armen Ländern zu verdoppeln.

Bisher wurde der grösste Teil der Hilfe für die Reduktion der Emissionen bereitgestellt, obwohl die am stärksten betroffenen Länder vor allem Gelder für Anpassungsmassnahmen an die Klimaveränderung benötigen. Pakistan zum Beispiel braucht vor allem einen besseren Hochwasserschutz – Solarkraftwerke sind eher zweitrangig.

Was verlangen die ärmsten Länder?

Die armen Länder verlangen prioritär, dass das Versprechen von hundert Milliarden Dollar an Finanzhilfen pro Jahr eingehalten wird. Das Erreichen dieses Ziels wurde mittlerweile auf 2023 verschoben.

Die einkommensschwachen Länder fordern ausserdem einen zusätzlichen Finanzierungsmechanismus, der ausschliesslich Entschädigungen für Verluste und Schäden durch den Anstieg des Meeresspiegels oder durch extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen oder Wirbelstürme berücksichtigt.

Die Länder des Südens sind für den geringsten Anteil an den weltweiten Emissionen verantwortlich – Afrika zum Beispiel verursacht weniger als vier Prozent der CO2-Emissionen.

Doch genau diese Länder zahlen den höchsten Preis für den KlimawandelExterner Link, sowohl in Form von finanziellen Einbussen als auch von Todesfällen. Sie erwarten daher eine Entschädigung von den Ländern, welche die meisten CO2-Emissionen verursachen.

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Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union haben sich bereits gegen die Forderung nach Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder ausgesprochen. Auf der COP27 wird vielleicht eine neue Idee diskutiert: die Entschädigung der Entwicklungsländer durch eine neue globale SteuerExterner Link auf fossile Brennstoffe.

Welche Prioritäten setzt die Schweiz?

Die Schweiz will sich dafür einsetzenExterner Link, dass die Vertragsstaaten konkrete Entscheide und Handlungen zugunsten des Klimaschutzes treffen. “Wir müssen die Priorität darauf legen, das 1,5-Grad-Ziel nicht aus den Augen zu verlieren”, sagt Franz Perrez, Umweltbotschafter und Schweizer Chefunterhändler bei der COP27.

Aus diesem Grund sei es unerlässlich, ein Arbeitsprogramm zur Reduzierung der Emissionen zu verabschieden. “Wir wollen einen Raum schaffen, in dem die Länder nicht nur Erfahrungen austauschen, sondern nach Lösungen suchen, um ihre Emissionsminderungsziele zu erreichen, auch in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft”, sagt Perrez.

Die Schweizer Delegation will sich auch dafür einsetzen, dass weltweit mehr in den Klimaschutz investiert wird. Es soll ein neues Finanzierungsziel für den Zeitraum nach 2025 festgelegt werden.

Gemäss Perrez sollen alle Länder, die dazu in der Lage sind, eine entsprechende Unterstützung garantieren: “Wir sind der Meinung, dass Staaten mit guten finanziellen Ressourcen (Bruttoinlandprodukt) ärmeren Staaten helfen müssen, unabhängig davon, ob es sich um ein Industrieland handelt oder nicht.”

“Wir müssen die Priorität darauf legen, das 1,5-Grad-Ziel nicht aus den Augen zu verlieren”

Franz Perrez, Schweizer Chefunterhändler COP27

Das Thema von Verlust und Schäden in Bezug auf den Klimawandel muss laut Perrez unbedingt anerkannt werden.

Gegen die Einrichtung eines eigenen Fonds, wie er von einigen Nichtregierungs-Organisationen befürwortet wird, bestehen in der Schweiz jedoch zahlreiche Vorbehalte.

Grund: Es gibt noch keinerlei Einigung zur Frage, wer sich an diesem Fonds beteiligen und wie die Verwendung der Gelder erfolgen soll.

Perrez meint: “Ein solcher Fonds sollte vorrangig den ärmsten und schwächsten Ländern zugutekommen, aber in diesem Punkt gibt es noch keine Einigung. Ausserdem bräuchte es noch Jahre, bis ein solcher Fonds operativ werden könnte. Im Moment ist das keine Lösung.”

Die Schweiz zieht es vor, sich mit dem Thema Schäden und Verluste weiterhin im Rahmen des so genannten “Glasgower Dialogs”Externer Link auseinanderzusetzen und mögliche Optionen zu evaluieren. Dieser Dialog läuft noch bis 2024.

Welchen finanziellen Beitrag leistet die Schweiz?

Die Schweizer Regierung ist der Ansicht, dass die Schweiz mit einem Betrag zwischen 450 und 600 Mio. Dollar (öffentliche Mittel und private Investitionen) zum 100-Milliarden-Dollar-Ziel für Entwicklungsländer beitragen sollte. Dieser Betrag berücksichtigt laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) die Wirtschaftskraft und die Emissionen der Schweiz.

Im Jahr 2020 beliefen sich die Schweizer Finanzmittel auf 659 Millionen Franken. Dieser Betrag war zwar höher als erwartet, wird aber von Nichtregierungs-Organisationen wie Alliance Sud nach wie vor als unzureichend angesehen. Sie hatten eine Milliarde Franken gefordert.

>> Video über den Umgang der Schweiz mit dem Klimawandel:

Editiert von Sabrina Weiss

Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob

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